Das Geld ist da, der Bedarf, etwa nach neuem Wohnraum, auch. Doch bis die Betonmischer angeworfen werden können, vergehen auf Mallorca Ewigkeiten. Und es wird immer schlimmer

Wenn man der ausgestandenen Wirtschaftskrise in Spanien etwas Gutes abgewinnen will, dann vielleicht das: Es ging vergleichsweise schnell mit den Baugenehmigungen, als die Bautätigkeit auf Mallorca in den Jahren nach 2008 fast zum Erliegen gekommen war. Inzwischen ist die Branche wieder in Schwung gekommen – und die Wartezeiten für Lizenzen steuern auf neue Rekordmarken zu. „In vielen Fällen dauert die Bewilligung eines Bauantrags 12 Monate, manchmal auch 15 Monate", sagt Sandra Verger, die Vorsitzende der balearischen Vereinigung der Bauunternehmer. „Dabei schreibt das Gesetz eigentlich eine Frist von drei Monaten vor."


Der Ärger darüber wächst. Die balearische Architektenkammer hat inzwischen eine Umfrage unter ihren Mitgliedern gestartet, die klären soll, welche Verwaltungsbehörde für welche Projekte wie viel Zeit benötigt. „Wir wollen Daten haben, um konkrete Lösungen einzufordern", erklärt Nacho Salas, der Vorsitzende der Kammer.


Knappe Ressourcen

Die Ergebnisse sollen in einigen Wochen vorliegen. Die Betroffenen haben aber schon jetzt drei prinzipielle Probleme ausgemacht, mit denen die Behörden zu kämpfen haben. Da wäre zum einen die Personalknappheit. In vielen Rathäusern fehle es an Sachbearbeitern, sodass sich die Anträge stauen. „Wir bekommen dann zu hören, dass wegen der Ley Montoro nicht mehr Personal eingestellt werden darf", berichtet Verger mit Verweis auf ein spanienweites Gesetz, mit dem die Rajoy-Regierung den im Zuge der Haushaltskrise zum Teil hochverschuldeten Gemeinden einen Ausgabenstopp vorschrieb.


Zwar dürfen die Rathäuser mit Haushaltsüberschuss inzwischen wieder mehr Geld ausgeben. Doch bei der Einstellung neuer Mitarbeiter seien den Bürgermeistern weiterhin die Hände gebunden, sagt Joan Carles Verd, Vorsitzender der Vereinigung der Gemeinden auf den Balearen. „Unsere Personalplanung liegt praktisch auf Eis." Abgesehen von Ausnahmen wie beispielsweise für die Orts­polizei seien Neueinstellungen fast nur im Zuge von Pensionierungen möglich. Und die Vergabe von Arbeiten an externe Firmen sei wegen der zahlreichen Auflagen kompliziert.


Papier statt digital

Ein zweites Problem ist der Rückstand in der Digitalisierung. Während die Nachbarinseln Menorca und Ibiza ihre Hausaufgaben weitgehend erledigt hätten, sei es auf Mallorca noch immer unmöglich, einen Bauantrag telematisch

einzureichen. „Und bis ein im Register eingereichter Antrag auf dem Tisch des Sachbearbeiters landet, können sechs bis acht Wochen vergehen", meint Salas.


Ähnlich beschreibt das Pro­blem Luís Martín, Vorsitzender der Vereinigung der Bauträger auf den Balearen. „In den meisten Rathäusern auf Mallorca wird gearbeitet wie im 19. Jahrhundert." Jedes Papier müsse seinen Stempel bekommen, und selbst innerhalb derselben Behörde vergingen bis zu zwei Monate, bis ein Antrag von einer Abteilung zur anderen weitergereicht werde.


In den Rathäusern ist man sich der Probleme zum Teil bewusst – aber um eine echte Digitalisierungs-Offensive zu starten, sei der politische Wille der übergeordneten Instanzen gefragt, argumentiert Verd. Besonders kleine Rathäuser ohne eigenen Informatiker könnten da wenig machen. Der Kommunen-Sprecher verweist zudem darauf, dass die Lizenzvergaben umfangreiche rechtliche Sicherheiten wie eine elektronische Unterschrift verlangten, die die Digitalisierung erschwerten. „So ein Behördengang ist kein Einkauf bei Amazon."


Wer blickt da noch durch?

Hinzu kommt ein drittes Problem: eine immer komplexere Gesetzeslage mit vielerlei Vorschriften und unterschiedlichen Zuständigkeiten. Denkmalschutzbehörde, Wasserwirtschaftsamt, Umweltschutzkommission, Küstenbehörde oder auch die Landesregierung im Fall von Projekten „von allgemeinem Interesse" – ein Bauherr hat es neben der Kommune zuweilen mit einer ganzen Reihe weiterer Behörden zu tun, die sich oft genug gegenseitig im Weg stehen. Um die Probleme in den Griff zu bekommen, müsse sich deswegen nicht nur in Sachen Ressourcen und Modernisierung etwas bewegen, auch die Gesetze müssten entrümpelt werden, fordert Salas.


Als Beispiel für die bürokratischen Exzesse nennt Verd die Mitsprache der spanischen Flughafenverwaltung bei der Lizenzvergabe: Alle Gemeinden, die in Einflugschneisen des Großflughafens Son Sant Joan liegen, müssten bei jedem Antrag das Okay aus Madrid einholen. „Dabei müsste es eigentlich ausreichen, dass der Bauantrag dem Flächennutzungsplan entspricht", meint Verd.


In der Regel gilt: Je größer die Gemeinde, desto länger die Wartezeiten. Einen schlechten Ruf hat speziell Palma. Aber auch die Stadtverwaltungen von Inca und Manacor sowie die Großgemeinden Calvià, Andratx oder Santanyí gelten nicht als die schnellsten. Die politische Couleur im Rathaus spiele keine Rolle, da sind sich die Betroffenen einig – die Probleme werden auf der Ebene der Sachbearbeiter verortet. Durchaus eine Rolle spielten allerdings die

Korruptionsskandale der vergangenen Jahre: In so manchem Baudezernat herrsche Verunsicherung, die Beamten seien sehr darauf bedacht, sich bei keiner Entscheidung angreifbar zu machen.


Die Folgen des Genehmigungsstaus seien massiv, warnt Martín: Auf einer Insel, auf der Wohnraum ohnehin für viele unbezahlbar sei, verteuerten sich die Bauprojekte zusätzlich. Schließlich müssten während der langen Wartezeit die laufenden Kosten beglichen werden. Noch höher seien die „psychologischen Kosten": Der Sprecher der Bauträger verweist auf eine Statistik, wonach die Investitionen in der Baubranche auf den Balearen in diesem Jahr um knapp ein Drittel rückläufig seien. Statt Däumchen zu drehen verzichteten Bauträger ganz und gar auf so manches Projekt.


MZ 30.06.2018